Mittwoch, 5. November 2014

Chefsache 2014

Ende Oktober besuchte ich zum ersten Mal die Chefsache in Köln. Diese Veranstaltung zählt zu den Höhepunkten der Branchentreffs in der kulinarischen Welt. Ich hatte bereits viel darüber gehört und gelesen und war sehr gespannt, was mich erwarten würde. Es war noch interessanter und intensiver, als ich es mir vorgestellt hatte. Im Kölner Palladium, einer attraktiven Industrie-Halle, traf sich das who's who der deutschen Spitzengastronomie. Das Besondere der Veranstaltung ist der gelungene Mix aus Messe mit attraktiven Ausstellern und Präsentationen der Küchenstile und Visionen von Ausnahme-Köchen.




Es gab so viele Vorträge und ich wollte auch keinen versäumen, dass ich weniger Zeit hatte, als mir lieb war, um mich den Messeständen zu widmen. Eine sehr große Freude war es mir auch viele Freunde und gute Bekannte aus der Gastro-Szene zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen.




Zwei Kochwettbewerbe wurden auf der Chefsache ausgetragen. Beim "hot-or-not-wettbewerb" von Norge traf ich Matthias Bernwieser wieder, der im März bei den "Jungen Wilden" in Hamburg den zweiten Platz belegte. Im Finale setzte er sich gegen zwei junge Kollegen mit Fjordforelle, Fichtensprossen, gerösteter Hefe, Roggenbrot, reduziertem Sauerrahm und Auster durch und gewann den Wettbewerb. Besonders beeindruckt hat mich einer seiner Mitstreiter, Ferdinand Kretz, der noch im dritten Ausbildungsjahr ist und bereits auf diesem hohen Niveau kocht. Auch die Jury war erstklassig besetzt. Den Vorsitz übernahm Johannes King, der wie seine Kollegen, Daniel Achilles, Wolfgang Becker, Eric Menchon und Andrée Köthe mit 2 Michelin-Sternen bewertet ist. Enrico Hirschfeld, der Sieger des vergangen Jahres komplettierte die Jury. Bei diesen Wettbewerben geht es nicht nur darum, sich zu messen, sie bieten jungen Köchen ein enormes Entwicklungspotential. Die neun Halbfinalisten hatten die Möglichkeit, in der Kulinarischen Akademie in Oslo von Spitzenköchen zu lernen.




Wenn man sich den ganzen Tag mit kulinarischen Themen beschäftigt, soll die Praxis nicht zu kurz kommen. Glücklicherweise gab es bei den Ausstellern und bei den Caterern ein großes Angebot an sehr guten kleinen Gerichten. 


Am ersten Tag besuchte ich die Präsentationen von Christian Hümbs und Mauro Colagreco.

Christian Hümbs, der Chef-Patissier des Hamburger Restaurants Haerlin ist bekannt für seine fantasievollen Gemüse-Desserts. Überzeugend schildert er, dass er wie ein Koch mit den Aromen arbeitet. Seine Kochkompetenz stellt er neben seinem Patissier-Know-How auch immer wieder unter Beweis, in dem er auch bei den anderen Gängen des Menüs mitkocht. Im Gegenzug unterstützen ihn die Kollegen beim Anrichten seiner komplexen Desserts. So entsteht ein guter Austausch und ein gegenseitiges Lernen.

Der Argentinier Mauro Colagreco kocht im Restaurant Mirazur in Frankreich. Sein Restaurant ist in eine Felsenlandschaft gebettet und liegt direkt am Meer. Dort bewirtschaftet er auch einen Garten, der sehr wichtig für seine Küche ist. Neben Gemüse kocht er bevorzugt mit Fisch und Meeresfrüchten. Wichtig ist ihm die Regionalität, die er in der bevorzugten Lage auch gut umsetzen kann.



Zu meinen Entdeckungen am ersten Tag gehören ein Yuzu-Sake und tolle Gänseleber, beides von Bos Food. Gefreut habe ich mich auch, dass Marco Giovanni Zanetti, der Winepunk, seinen Tongue Pogo dabei hatte.


Nach der Ehrung der Preisträger des "Best-of-the-Best"-Award, bei dem herausragende Persönlichkeiten aus Gastronomie, Handel und Produktion von der Branche nominiert und gewählt wurden. Unter den Siegern waren Joachim Wissler, Tim Raue, Jimmy Ledemazel, Marcel Runge, Ralf Bos, Bos Food und das Restaurant aqua. Im Anschluss daran fand die große Abendveranstaltung "iSi-Hommage an die Köche" statt. Hierfür haben Heiko Antoniewicz und Christoph Moser ein innovatives Konzept mit fermentierten Lebensmitteln und Espumas entwickelt.


Am nächsten Morgen machte ich mich ganz früh auf den Weg, um mehr Zeit für die Ausstellung zu haben. Ich entdeckte Soul kitchenlab, ein griechisches Unternehmen, die individuelle Teller aus Marmor fertigen. Bei ASA-Selection gab es wieder viele schöne Teller zu bewundern, die mein Herz höher schlagen lassen. Zum ersten Mal konnte ich den neuen Rapid Infusion von iSi anfassen. Auf den warte ich schon lange, da man mit diesem Zusatzgerät ganz einfach Flüssigkeiten in kürzester Zeit aromatisieren kann.
Auch am zweiten Tag war ich wieder sehr vom Essen angetan. Besonders gut geschmeckt hat es mir bei Heiko Antoniewicz, der wieder mit seinem "Schatten" Adrien Hurnungee am Start war, und bei Neuseeland Hirsch.
Bereits am Vortag gehörte der Stand von Otto Gourmet zu denen, die am meisten umlagert waren. Es gab Kobe zu probieren und die Köche interessierten sich natürlich sehr stark dafür. Am zweiten Tag war ich glücklicherweise so früh am Stand, dass sich meine Chancen auf einen Probierteller deutlich verbessert hatten. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass mit der echte Wasabi, der dazu serviert wurde, noch mehr gereizt hat. Er schmeckte wunderbar fruchtig, mit einer leichten Schärfe. Das Kobe war natürlich auch fantastisch. Ich könnte gar nicht sagen, ob mir die rohe Variante oder das Kurzgebratene besser gefallen haben. Beides war sehr gut. Begeistert haben mich auch die Weine vom Weingut Hanewald-Schwerdt aus der Pfalz. Die jungen Winzer hatten einen sehr schönen Sauvignon Blanc dabei, von dem ich mir ein Glas mitnehmen durfte in die nächsten Vorträge.

Den Reigen eröffnete Joachim Wissler vom Restaurant Vendome. Leider hatte ich im vollen Saal nur noch einen Platz ganz hinten erwischt und konnte nicht besonders gut sehen. Inhaltlich war der Vortrag so interessant, dass ich das gar nicht vermisst habe. Joachim Wissler berichtete davon, wie er den Patissier-Posten nach dem Weggang von Andi Vorbusch mit einem jungen Koch kompensiert hat. In seiner Küche legt er größten Wert auf Team-Arbeit und das kreative Potential aller Köche wird genutzt, um neue Gerichte zu erschaffen. Einmal in der Woche muss ein Mitarbeiter ein Kurz-Referat über ein Thema halten, das ihn beschäftigt. Das kann eine Komponente, eine Technik, eine Idee sein - einfach etwas auf das er aktuell aufmerksam wurde und sich damit auseinander setzt. Dabei kommen die Inspiration aus dem Internet (youtube, Veröffentlichungen, etc.) aus der Vernetzung und aus Gesprächen mit Anderen. Nur so kann das hohe Niveau gehalten werden.

Er stellt drei seiner aktuellen Gerichte vor: die badische Schneckensuppe, die geräucherte Forelle und das Frühstück. Natürlich ist die Präsentation völlig neu, aber der Kern und die Grundidee des Gerichts sind erkennbar. Der Einblick in diese Gedankenwelt war so spannend für mich, dass ich am liebsten gleich alles probiert hätte.

Auf den Auftritt des nächsten Spitzenkochs habe ich mich sehr gefreut, da ich ein paar Wochen vorher in seinem Restaurant Essigbrätlein zu Besuch war. Andree Köthe hatte ein mobiles Gemüsebeet mitgebracht und zeigte sehr anschaulich, wie er Gemüse als Ganzes begreift. Beherzt zieht er einen geschossenen Lauch heraus. So wie er aussieht, wäre ich mir unsicher, ob man ihn noch geniessen kann oder besser auf den Kompost gibt. Im Inneren gibt es ein schmales Stück, das wie ein Spargel geschält und verarbeitet werden kann. Köthee geht einen Schritt weiter, aus der Küche heraus. Er geht auf Felder und hat ein besseres Verständnis über die Pflanze entwickelt. Diesen Weg verfolgt er systematisch und manchmal kommt ihm auch der Zufall zur Hilfe. Er erzählt, dass er bei einer Bekannten große Rosenkohlblätter in einem Tischgesteckt entdeckt hat und seitdem aus diesen Blättern (der Pflanze) ein Gericht kocht.

Mit Eneko Atxa betritt ein junger Spanier die Bühne, der sein Restaurant Azurmendi als "Zu Hause" für sich und seine Gäste sieht. Die Gäste beginnen ihren Aufenthalt mit einem Spaziergang durch das Gelände und die eigenen Gewächshäuser. Überall gibt es kleine kulinarische Überraschungen, wie gefüllte Tomaten an einem Strauch oder ein Aperitif, der in der Erde steckt. Dann wird es Zeit für einen kleinen Picknick-Korb, der das Amuse ist. Erst danach werden die Plätze im Restaurant eingenommen. Eneko Atxa zeigt auf der Bühne sein "Huevo Trufado" (Ei mit Trüffeln), ein einfaches, wie geniales Gericht. Mit einer Spritze wird aus einem Eigelb etwas Masse entnommen und mit einem Trüffelöl ersetzt. So erreicht er optimalen Geschmack mit optimaler Frische.




Auf der Bühne wurden Vasen mit roten Rosen platziert und weckten die Neugierde des Publikums. Mit Quique Dacosta stand ein weiterer spanischer Spitzenkoch auf dem Programm. Das Licht wurde gedimmt und wir sehen ein eindrucksvolles Video, in dem er seine Gedankenwelt und die Bedeutung aller Sinne beim Kochen vorstellt. Das Video wird real und er wirft die gleichen Steine in das Publikum, wie in der letzten Szene. Einer fällt mir direkt vor die Füsse und er fühlt sich schön an. Ein glatter, schwarzer Stein. Plötzlich werden weitere Steine verteilt. Sie sind täuschend ähnlich, aber essbar und bestehen aus Parmesan. Der Reiz mit dem Spiel der Sinne geht weiter und die Rosen dürfen vom Publikum genauer inspiziert werden. In der Mitte befinden sich essbare Rosenblätter, die nach Rose schmecken. Danach wird ein Holzbrett präsentiert, auf dem sich essbare Blätter und Spiralen befinden. Diese Herbstdekoration besteht aus Schweineschwarte.

Um seine Vorstellung von der Einbeziehung aller Sinne zu verdeutlichen, sehen wir in einem zweiten Video, wie essbare Diamanten in seiner Küche entstehen. Diese Diamanten werden in einer Schale serviert, die ebenfalls essbar ist. Quique Dacosta betreibt einen hohen logistischen Aufwand, um diesen Gang zu einem Erlebnis werden zu lassen. Vor dem Servieren geht im Restaurant das Licht aus und alle Gäste bekommen zum exakt gleichen Zeitpunkt dieses Gericht.



Jonnie Boer hatte schon immer seinen eigenen Kopf und das stellte der Holländer wieder einmal unter Beweis. Er bevorzugt regionale Produkte und scheut auch keine Tabus. In seinem Gericht Tulpenzwiebel | Geflügelleber | Scampi kombiniert er ein "Arme-Leute-Essen" mit Luxusprodukten der Sternegastronomie. Im zweiten Weltkrieg waren die Leute gezwungen Tulpenzwiebeln zu essen, da es nichts anderes gab. Bis heute sind sie deshalb als Nahrung verpönt. Die Scampi in diesem Gericht stammen nicht nur aus der Region, sie werden auch dort geschält.

Virgilio Martinez kocht in Lima, Peru. Sein Restaurant Central gehört zu den 50 besten der Welt und steht für die autochtone Küche Perus, eine extreme Regionalküche. In seinem Video beschreibt er seine Idee einer vertikalen Erde. In jedem Höhenmeter seiner Region gibt es andere Produkte, die er entdeckt und neu kombiniert. Er reist viel in Peru, um die vergessenen Schätze dieser Küchenkultur zu heben. So ist er auf ein altes Verfahren der Indios gestossen, die Kartoffeln in 4.000 m Höhe in die Erde eingraben. Dadurch wird sie auf natürlichem Weg gefriergetrocknet und ist für 20 Jahre konserviert. Diese Kartoffeln reibt er zu Pulver und verwendet sie für seine Gerichte.


Ich bin mit so vielen Eindrücken von dieser Veranstaltung gegangen, dass es mich immer noch beschäftigt. Kochmethoden, Produkte und die Menschen mit ihren Ideen und Visionen dazu sind noch lange nicht am Ende. Es gibt immer noch sehr viel zu entdecken und zu bestaunen. In diesem Sinne freue ich mich schon auf die Chefsache 2015.

Fotos von den auf der Bühne präsentierten Gerichten gibt es bei www.apicbase.com

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