Sonntag, 17. August 2014

Rezension: Sofralar - KochDichTürkisch

Anfang der 60er Jahre kamen türkische Gastarbeiter nach Deutschland. Als ich 1969 eingeschult wurde, gab es kein türkisches Kind in meiner Klasse. Heute ist das kaum mehr vorstellbar. Unser Wahllokal ist in einer Grundschule und an den Wänden sind Garderoben-Haken mit den Namen der Kinder. Leider sind mir die Namen fremd, ich könnte nicht sicher sagen, ob dort ein Mädchen oder ein Junge seine Jacke hinhängt.

An meine erste Begegnung mit einer türkischen Familie erinnere ich mich genau. Es war auch in der Schule und ich hatte zum ersten Mal eine türkische Klassenkameradin. Sie hatte Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und konnte deshalb auch dem Unterricht nicht so gut folgen. Die Lehrerin hat mich aufgemuntert mit ihr nach Hause zu gehen und ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Ganz ehrlich, mir war mulmig.

Ihre Eltern und älteren Geschwister waren sehr lieb und freundlich zu mir und trotzdem hatte ich ein sehr unsicheres Gefühl. Sie schenkten mir einen Apfel. Den habe ich nie vergessen. Das war der beste Apfel, den ich bis dahin gegessen hatte.

Heute bereue ich es, dass ich nicht mutiger war und den Kontakt gehalten habe. So hätte ich Teil einer Entwicklung sein können, die ich irgendwie verpasst habe. Heute gibt es sehr viele türkisch-stämmige Menschen in meinem Leben, die ganz selbstverständlich dazu gehören. Auch für die türkische Küche interessiere ich mich schon länger, da ich eine Vorliebe für die orientalische Küche habe.

Wer mit offenen Augen durch die Welt der Foodblogs unterwegs ist, entdeckt schnell den Blog KochDichTürkisch von Orhan. Dort stellt er mit viel Liebe seine türkischen Familienrezepte vor. Er und seine Mitstreiter wollen auch Brücken bauen und Vorurteile im deutsch-türkischen Alltag abbauen. Dabei erheben sie nicht den Zeigefinger, sondern bringen uns mit Witz und Liebe zum guten Essen zusammen.

Das erste Kochbuch Sofralar von Orhan Tançgil ist so erfolgreich, dass es bereits in der zweiten Auflage vorliegt. Aktuell arbeitet er an seinem neuen Buch Mezzeler und freut sich über Unterstützer bei seinem Crowdfunding-Projekt. Das ist notwendig, damit die Finanzierung des Buchs gewährleistet ist.




Sofralar bedeutet türkische Tafeln und so ist das Buch aufgebaut. Es gibt sieben Kapitel oder Tafeln und man kann gleich erkennen, zu welchem Anlass man die Gerichte serviert und was zu was passt.
- Aile Sofrasi - Die Familie zu Tisch
- Misafir Sofrasi - Gäste empfangen
- Cay Sofrasi - Tea Time auf Türkisch
- Kahvalti Sofrasi - Frühstückstafel
- Raki Sofrasi - Die Raki-Tafel
- Piknik/Mangal Sofrasi - Picknicken und Grillen
- Iftar Sofrasi - Einladung zum Fastenbrechen im Ramadan
Zu jedem Kapitel gibt es eine kleine Einführung, um die Bedeutung im türkischen Alltag zu verstehen und ein Foto von der jeweiligen Speisen-Vielfalt. Zur besseren Orientierung gibt es noch eine Übersichtsseite, auf der jedes Gericht einer Tafel mit einem Foto vorgestellt wird. Orientierung wird in diesem Kochbuch überhaupt groß geschrieben. Es gibt ein alphabetisches Rezeptregister mit deutschen und türkischen Namen, ein Zutatenverzeichnis auf deutsch und türkisch, ein Rezeptverzeichnis nach Kategorien auf deutsch und türkisch. Dieses Rezeptverzeichnis finden wir auch als Einleger im Buch. Wenn man es an der Perforation trennt, erhält man so fünf Lesezeichen und ein Lesebändchen gibt es auch noch.

Jedes Rezept wird auf einer Doppelseite dargestellt. Auf einer Seite das Rezeptbild, auf der gegenüber liegenden Seite das Rezept. Die Zutaten sind in einem grau hinterlegten Kasten übersichtlich dargestellt. Bei jedem Rezept ist angegeben für wieviele Personen es ist, wie groß der Aufwand ist, wie lange man für die Vorbereitung und die Zubereitung braucht. Und der deutsch-türkische Sprachkurs geht gleich weiter. Die Rezeptnamen sind deutsch und türkisch angegeben. Für den türkischen Namen gibt es sogar eine Lautschrift. Mehr geht nicht!

Doch, es geht noch mehr. Zu 23 Rezepten gibt es ein Video, damit man die einzelnen Arbeitsschritte besser erkennen kann. Hilfreich ist es auch, dort die richtige Aussprache von Zutaten zu hören. So wird der Einkauf im türkischen Supermarkt noch einfacher. Natürlich finden wir am Ende des Buchs eine Übersicht aller Videos, die ganz einfach mit dem Einscannen eines QR-Codes aufgerufen werden können. Wer das nicht mit Mobil-Geräten machen möchte, für den steht der Link zum Eintippen am Desktop bereit.

Beim Durchblättern habe ich mich sehr gefreut dort zwei der Rezepte aus meinem ehemaligen Kochkurs zu entdecken. Gerade diese beiden hatten es mir damals sehr angetan und ich hatte sie in mein Standard-Repertoire übernommen. Ein drittes Rezept fiel mir noch ins Auge, das ähnlich war. So fühlte ich mich gut gerüstet Geschmack und Gelingsicherheit des Rezepts zu beurteilen.

Alle drei Gerichte habe ich für Herrn bushcook und mich zum Abendessen gekocht und deshalb die Mengen reduziert. Ansonsten habe ich mich streng an das Rezept gehalten. Die Umsetzung war einfach, da die Rezepte gut beschrieben sind und geschmacklich hat es mich sehr überzeugt. Das türkische Lauchgemüse kam meinem bisherigen Rezept sehr nah. Die grünen Bohnen in Olivenöl haben sogar noch feiner geschmeckt.

Türkisches Lauchgemüse in Olivenöl
mit Reis und Möhren
Grüne Bohnen in Olivenöl











Spinat mit Hackfleisch und Joghurt










Sofralar von Orhan Tançgil ist ein sehr gutes Kochbuch für die klassische türkische Küche, wie sie in den Familien praktiziert wird. Man spürt die Liebe und den Spaß von Orhans Familie und Freunden bei der Gestaltung des Buchs.

Besonders hervorheben möchte ich die gute Strukturierung und die sorgfältige Beachtung von beiden Sprachen bei allen relevanten Begriffen. Wer noch etwas unsicher ist, dem helfen die Videos mit wichtigen Details um Fehler zu vermeiden. Damit ist es auch für Kochanfänger sehr gut geeignet.

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