Mittwoch, 16. September 2015

Cook Tank 10 in München
Die Koch- und Denkfabrik der Sternefresser

Wer im Netz auf der Suche nach kompetenten Berichten über die Spitzengastronomie ist, landet sehr oft auf der Seite der Sternefresser. Unter diesem Begriff haben sich vier ess-affine Herren zusammen getan, besuchen Restaurants und berichten darüber. Immer wieder einmal kommt es zu, nennen wir es einmal, "kleinen Scharmützeln", weil sie dies auf Einladung des Restaurants tun und, wenn es angezeigt ist, auch eine unangenehme Kritik veröffentlichen. Ich lese bevorzugt ihre Berichte über Restaurants, die ich auch schon besucht habe. Meine Meinung deckt sich größtenteils mit ihrem veröffentlichten Bericht. Bis jetzt gehe ich nur bei einem Restaurant nicht mit ihnen konform.

Man kann jetzt von der ganzen Geschichte halten, was man will. Es ist aber Fakt, dass sie sich einen festen Platz im ganzen Sterne-Gastronomie-Zirkus erarbeitet haben. Stark dazu beigetragen haben die Cook Tanks, die sie seit 2011 veranstalten. Gastgeber des ersten Cook Tanks war Juan Amador in seinem damaligen Drei-Sterne-Restaurant "Amador". Zu Gast waren drei weitere Köche und Prof. Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut. Gekocht haben die Sternefresser für die Köche. Das war die erste und einzige Veranstaltung dieser Art. Bei allen anderen Cook Tanks standen die Profis hinter dem Herd.

Bei den Cook Tanks geht es in erster Linie um den kreativen Austausch und die gegenseitige Inspiration. Um den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen wird auch eine kleine Anzahl von Medienvertretern (print und online) eingeladen. Ein wichtiger Bestandteil ist auch die Nachwuchsförderung. Deshalb werden, neben den eingeladenen Küchenchefs, auch drei Wildcard-Plätze vergeben. Einen davon bestimmt eine Jury und die beiden anderen können sich über facebook qualifizieren.

Die Jubiläumsveranstaltung Cook Tank 10 fand am 14. September 2015 in München statt. Gastgeber war Diethard Urbansky vom Restaurant Dallmayr.

Die Aufgabe der Küchenchefs bestand darin, ein völlig neues Gericht zu kreieren, das so noch nicht auf der Karte stand und zum Thema "Stadt - Land - Fluss" passt. Zum Charakter der Veranstaltung passt, dass es eigentlich nur zwei Regeln gibt: "jeder hilft jedem beim Anrichten" und "die Teller werden geteilt", da nur 25 Portionen bereit stehen. Ansonsten stehen der Spaß und der ungezwungene Austausch an erster Stelle.



Nach einer kurzen Begrüßungsrede von Christian Stromann, Sternefresser, servierte Tohru Nakamura vom Werneckhof das Amuse: "Hirschpastrami, Holunder, Haselnuss und Hanfsamen". Auch die erste Vorspeise wurde von ihm und seinem Kollegen Dominik Schmid serviert. Zur Makrele kombinierten sie Myoga, Muskatkürbis und Muschelvinaigrette mit Myrtel. Damit zeigten sie, dass sie das Spiel kannten und verstanden haben. Sie entwickelten das Gericht auf Papier, in dem sie zu den Buchstaben H und M alle Produkte auflisteten, deren Name mit diesen Buchstaben beginnt. Aus dieser Liste wählten sie dann aus und kombinierten es zu einem Gericht. Kaum zu glauben, aber es scheint so, dass nicht nur Zutaten aus der gleichen Saison gut zueinander passen, sondern auch Zutaten mit dem gleichen Anfangsbuchstaben.




Das Hauptthema "Stadt - Land - Fluss" wurde noch durch "Die neue bayerische Küche" ergänzt. Dazu hielt Michael Simon Reis vom Johanns im niederbayerischen Waldkirchen einen sehr interessanten Vortrag. In seiner Küche möchte er Gerichte servieren, deren Aromatik der bayerischen Küche entspricht. Er sagt, dass es noch nicht so lange her ist, als z. B. Kapern für uns noch exotisch waren. Deshalb entwickelt er innovative Gerichte, die einen Bezug zu bayerischen Traditionen haben und vor allem dem Gast schmecken, der wenig Erfahrung mit Spitzengastronomie hat. Von diesen Überlegungen hat er sich bei seinem "Bayerischen Brotzeitteller" mit Starkbier leiten lassen. Zusammen mit seinem Chef de Partie, Matthias Kolbeck, servierte er eine fein geriebene Entenleber mit gebeiztem Alpenlachs, Erdäpfel-Gurkenvinaigrette, süßem Liebstöckelsenf und Laugenbrioche. Dazu gab es ein Glas "Infinium" von der Brauerei Weihenstephan.


Der Niedersachse Jan Hartwig vom "Atelier" im Bayerischen Hof hat sich von vielen Küchen inspirieren lassen. Aufgrund seiner Herkunft sieht er sich nicht als der Experte für peruanische oder bayerische Küche und doch ist ihm eine spannende Fusion gelungen. Der "Zander mit Ceviche-Sud, Mandelcreme, Bayrisch Kraut und gebeiztem Iberico" war einer meiner Lieblingsgerichte an diesem Tag. Die Optik, mit dem satten Grün hat mir ganz besonders gut gefallen. Unterstützt haben ihn seine beiden Kollegen, Sous-Chef Julian Stowasser und Saucier Stephan Werner.


Bobby Bräuer und Philipp Jäger vom Esszimmer hielten sich sehr getreu an das Motto und kombinierten Kaninchen vom Land mit Aal aus dem Fluss und Muskatkürbis aus dem Stadtgarten. In diesem Garten kümmert sich Bobby Bräuers Frau um den Anbau verschiedener Gemüse und Kräuter. Der Kürbis stand für mich sogar im Mittelpunkt und kam in verschiednen Texturen und unterschiedlich aromatisiert auf den Teller.

Alle Köche stellten ihr Gericht und ihr Konzept im Plenum vor. Danach wurde noch ein weiterer Teller für das Foto angerichtet. Dazu gab es einen vorbereiteten Fotoplatz und auch die passenden Teller aus jedem Restaurant, die die Köche mitgebracht hatten.



Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dass mit Marcel Görke vom Restaurant Stüffel der erste Gewinner einer Wildcard an der Reihe war. Er und sein Sous-Chef Peter Lex hatten ein typisches Gericht aus ihrer Heimatstadt dabei: "Hamburger Aalsuppe neu interpretiert" - Schinkensud, salzige Dampfnudel, Ackergemüse und Kräuter. In dieser Suppe war ursprünglich kein Aal enthalten, der Name stammte daher, dass man früher alles verwendet hat, um eine Suppe zu kochen. Die Interpretation von Marcel Görke ist dafür besonders edel umgesetzt. Große Freude hat er allen Anwesenden auch mit dem zweiten, für Hamburg sehr typischen, Mitbringsel gemacht. Es gab köstliche Franzbrötchen, ein Plunderteig-Gebäck mit viel Zimt.



Der Hausherr Diethard Urbansky präsentierte "Bäckchen und Schwänzchen vom Ferkel, Rauchaal, Malzbier und Bohne". An seiner Seite waren sein Sous-Chef Christoph Kunz und noch weitere Köche aus dem Dallmayr-Team.

Er wollte auch weniger geliebte Teile, wie das Schweineschwänzchen, in Szene setzen und machte einen knusprigen Chip daraus. Für die Bierstadt München kam eine Malzcreme auf den Teller. Interessant waren auch die Maulbeeren, die püriert und in einer Negativform von einer Brombeere wieder in Form gebracht wurden. Dies hatte den Vorteil, dass die vielen Kerne der Maulbeere entfernt werden konnten.


Aus der Innerschweiz waren Nenad Mlinarevic und Pascal Steffen vom Restaurant Focus angereist. Sie stellten die Ente in den Fokus und zeigten, ihre Version der Ente auf dem Land, am Fluss und in der Stadt. Die Präsentation war sehr außergewöhnlich und begeisterte die Teilnehmer.

Stadt - HOT DUCK
Bratwurst, Sauerteigröstzwiebelbrot, Weisskohl, Apfel, Alpkräutersenf

Land - BROTZEIT
Paté, Entenbrust, Zwiebel, Schalotte

Fluss - BRÜTEN
Entenei, Spinat, Liebstöckl, Kerbel, Petersilie, Raps, Buchweizen



Mit Christian Sturm-Wilms vom Yunico betrat der zweite Wildcard-Gewinner die Bühne. Die Interpretation der Leber Berliner Art mit Landbrot, Pastinake, Apfel, Yodo, Flusskrebse und Aal ist typisch für seine Küche mit vielen japanischen Elementen. Neu für mich war die deutliche Süße des eigentlich pikanten Gerichts. Begleitet wurde er von seinem Kollegen Mari Estelli Ibabao aus Thailand, der als Spüler begonnen und nun mit viel Fleiß eine Kochausbildung abgeschlossen hat.



Mit Philipp Rümmele vom Restaurant Adler war die Riege der Wildcard-Gewinner komplett. Sein Gericht "Milchkalb hoch 3, Bachkrebse, Holunderessig und feine Erbse" überzeugte die Jury so sehr, dass sie für ihn und seinen Sous-Chef Max Speyer gleich eine Einladung zum Cook Tank vergaben. Zu meiner großen Freude war eine der drei Milchkalb-Komponenten Kalbsbries.


Den wunderbaren Tag schloss Anton Schmaus vom "storstad" ab. Zusammen mit seinem Azubi Lukas Schafstadler servierte er "Stör, Händlmaier-Senfcurry, Mango und Sauerkraut". Seine typische Zutat aus der Stadt war der süße Händlmaier-Senf, den er für ein Curry einsetzte. Und ich freute mich sehr über meinen netten "Mitesser", mit dem ich viele Tellerchen teilte und der sehr aufmerksam das Sauerkraut aus dem Gericht verputzte.


2 Kommentare:

  1. Wow. Ich glaube ich könnte vor lauter Inspiration die nächsten 10 Nächte nicht schlafen. Das muss ein unfassbar tolles Erlebnis gewesen sein, um das ich dich sehr beneide.

    Gruß
    Jens

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    1. Lieber Jens,
      ja, das war wirklich ein ganz besonders tolles Erlebnis und hat viel Spaß gemacht.

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6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.