Freitag, 28. September 2018

Rezension: Veredelung von Heiko Antoniewicz und Ludwig Maurer

Lebensmittel haltbar machen war früher selbstverständlich. Wenn ein Tier geschlachtet oder ein Obstbaum abgeerntet wurde, dann hatte man eine große Fülle, die in der kurzen Zeit der Haltbarkeit nicht aufgebraucht werden konnte. Also bediente man sich handwerklicher Methoden, um diese Fülle für magere Zeiten zu konservieren. Vor diese Notwendigkeit ist man heute leider nicht mehr gestellt. Alles ist zu jeder Zeit verfügbar und führt zu Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln. Immer mehr Köche verwenden für ihre Gerichte hauptsächlich regionale und saisonale Produkte. Dabei stehen sie ebenfalls vor der spannenden Herausforderung den Einsatz zu verlängern und experimentieren auch, um diese Lebensmittel stärker in den Fokus zu rücken und zu veredeln. So grob gesagt geht es darum im aktuellen Buch "Veredelung" von Heiko Antoniewicz und Ludwig Maurer.


Das Schöne bei dem Team Heiko Antoniewicz und Ludwig "Lucki" Maurer ist, dass sie die gleiche Grundhaltung zu Qualität haben, total unterschiedlich sind und sich trotzdem gut verstehen. Beide haben sich ihre Sporen in der Spitzengastronomie verdient. Während sich Heiko immer stärker für das "wie" und "warum" interessiert hat und sich durch sein enormes Fachwissen den Spitznamen "Professor der Köche" erworben hat, ist Lucki noch tiefer in die Praxis eingetaucht und züchtet auf seinem Bauernhof Bio-Wagyu-Rinder. Ihre beruflichen Aufgaben bringen die beiden immer wieder zusammen und es macht großen Spaß beide gemeinsam zu erleben. Wer die beiden einmal "live" erleben möchte, für den bieten sich die Veranstaltungen der AEG-Taste-Academy an.

Trotz des großen Formats und der edlen Aufmachung ist "Veredelung" kein Coffeetable-Buch. Dagegen spricht das umfangreiche und sehr fundierte Grundlagen-Kapitel. Im Fokus steht das Produkt Fleisch und es wird in allen Facetten beleuchtet. Einen Überblick, über die Arten der Veredelung gibt ein Schaubild, das diesem Kapitel vorgeschaltet und sehr gelungen ist. Mit Kreisen, die fachlich logisch angeordnet sind, kommt man sozusagen vom Großen ins Kleine. Zu jeder Thematik sind die entsprechenden Seitenzahlen angegeben, auf denen die gewünschten Informationen zu finden sind.

Die fundierten, wissenschaftlichen Texte sind ein Schwerpunkt in diesem Fachbuch. Behandelt werden (exemplarisch genannt):

  • die unterschiedlichen Tiere von der Aufzucht bis zur Schlachtung
  • der Aufbau (Muskulatur) von Fleisch
  • die Wirkung auf den Geschmack - Veränderung der Aromamoleküle durch Reifung
  • Methoden der Fleischreifung, neue Methoden wie Wet-, Dry- und Asche-Aging, Luma, aber auch traditionelle Methoden wie Pökeln und Räuchern
  • Kochmethoden wie Konfieren und Sous-Vide

Das Kapitel über die Produkte ist als ergänzender Praxisteil zu verstehen. Dort werden die unterschiedlichen Methoden der Veredelung mit praktischer Anleitung und Fotos vorgestellt.

Nach dem geballten Theorieteil geht es dann zu den Rezepten. Die Rezepte sind nicht nach den üblichen Kategorien strukturiert, sondern folgen der Reihenfolge wie die Veredelungsmethoden im Kapitel Produkte aufgeführt sind. Das macht es etwas schwierig festzustellen, ob es sich um eine Vorspeise, einen Zwischengang oder ein Hauptgericht handelt. Desserts gibt es keine. Ich habe auch nicht herausfinden können, für welche Personenanzahl ein Rezept gedacht ist. Ich vermute für 4 Personen. Sehr gut gefällt mir, dass jedes Gericht in die einzelnen Komponenten zerlegt wurde und somit die Zutatenliste und der Rezepttext in einem eigenen Block zusammengefasst sind. Die Rezepttexte sind kurz und knapp formuliert. Trotzdem sind sie sehr verständlich, man sollte aber schon Basiswissen mitbringen. Die ausdrucksstarken Fotos von Volker Debus sind völlig auf die Optik des Gerichts fokussiert. Da gibt es keine Deko, kein Chi-Chi, oft fehlt sogar der Teller und es gibt einen fließenden Übergang in den Text.

Für die meisten Gerichte benötigt man Zutaten, die man auch in einem gut sortierten Supermarkt nicht findet. Hier braucht es Delikatessenhändler, Anbieter für die Gastronomie wie Bosfood oder Frischeparadies, Kontakte zu Produzenten oder man muss das Produkt vorher selbst veredeln. Auch wenn der Theorieteil sich stark an Fleisch orientiert, sind bei den Rezepten auch Wild, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchte zu finden. Ich habe mich für ein Rezept mit Hummer entschieden. Da konnte ich alle Zutaten ohne großen Aufwand besorgen und ich hatte schon ewig nicht mehr Hummer gegessen.




















Das Kapitel Grundrezepte beinhaltet Rezepte zu Fonds, Brühen und Jus

Abschließend gibt es noch einen kleinen Einblick zur Arbeit an diesem Buch mit vielen stimmungsvollen Fotos und man kann das gesamte Team kennen lernen.

Das Rezeptregister am Ende des Buchs ist eigentlich keins, sondern eine Inhaltsangabe. Die Rezepte werden chronologisch aufgelistet. Hilfreich ist, dass die angewandete Veredelungsmethode in der Überschrift steht und man sich so einen Überblick verschaffen kann. Da hätte es mir fast besser gefallen, wenn das Rezeptkapitel mit dieser Übersicht eingeleitet worden wäre.

Fazit:
"Veredelung" stellt konsequent das Produkt in den Fokus und ist ein Standardwerk über die unterschiedlichen Methoden Lebensmittel haltbar und damit auch noch geschmackvoller zu machen. Es ist besonders empfehlenswert für Profiköche, die sich zu dieser Thematik weiterbilden wollen. Der ambitionierte Hobbykoch kann mit dem Theorieteil sehr viel lernen, bei der Umsetzung der Rezepte sollte bereits großes Koch-Know-How, eine sehr gute Küchenausstattung (Sous-Vide-Garer, Kammervakuumierer, etc.) vorhanden sein und man sollte gute Einkaufsquellen kennen. Deshalb sehr ich hier eher den sehr ambitionierten Hobbykoch als Zielgruppe.

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