Donnerstag, 4. Oktober 2018

Rezension: Die Kochlegende Marc Haeberlin

Es gibt Restaurants, die stehen immer noch ganz weit oben in meiner to-do-list. Dazu gehört auf jeden Fall die Auberge d'Ill in Illhaeusern im Elsass. Immer wenn ich daran denke, dann sehe ich den kleinen Fluss Ill und die herrlichen alten Trauerweiden. Ich möchte dort im Sommer mittags in diesem wundervollen Garten essen. Das ist die eine Assoziation, die zweite ist der unglaublichste Schokoladengeschmack, den ich je gegessen habe. Wir waren damals bei Freunden, die begeisterte Hobbyköche waren, eingeladen. Zum Dessert gab es ein Schokoladenparfait, das in einer Gugelhupfform eingefroren wurde. Das Rezept stammte Paul Haeberlin, dem Vater von Marc. Er ist leider vor einiger Zeit verstorben, genauso wie unser Freund, der es damals zubereitet hat. Das Rezept wurde 1981 in einem kleinen Taschenbuch aus dem Heyne-Verlag veröffentlicht. Nach dem Abend habe ich mir das Buch zugelegt. Ich sollte es unbedingt einmal nachkochen.

Es wurde wirklich Zeit, dass die Kochkunst der Familie Haeberlin und ihr legendäres Restaurant in einem großformatigen Buch gewürdigt werden. Das hat der Tre Torri Verlag nun mit einer Fortsetzung seiner schönen Reihe mit "Die Kochlegende Marc Haeberlin" getan.


Marc Haeberlin ist der Sohn einer Kochlegende. Sein Vater Paul Haeberlin wurde 1967 erstmalig mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Zum Glück für die Familie und für die Gäste wollte auch er Koch werden und wurde von den ganz Großen der französischen Koch-Szene, Paul Bocuse, Gaston Lenotre und den Brüdern Troisgros, ausgebildet. Seit 1976 verantwortet er die Küche des Familienrestaurants und konnte die drei Sterne nahtlos verteidigen. Eine große Freundschaft verbindet ihn mit Eckart Witzigmann, der als junger Koch ebenfalls in der Auberge d'Ill am Herd stand.

Der Schwerpunkt in diesem Kochbuch liegt auf den Rezepten. Zur Einstimmung sind auf den ersten Seiten ein paar Foto-Impressionen des Restaurants zu sehen. Mir gefällt das und es versetzt mich gleich in die richtige Erinnerung. Mit diesen Bildern im Kopf macht es große Freude das Interview mit Marc Haeberlin zu lesen. Er schöpft tief aus seiner Lebens- und Kocherfahrung. Nahtlos geht es über zu dem Rezeptteil.

Die einzelnen Rezeptkapitel sind aufgebaut, wie ein klassisches französisches 4-Gang-Menü. Auf die Vorspeisen folgen die Zwischengerichte mit Fisch, Froschschenkel und Krustentieren. An die Hauptgänge mit Fleisch, Geflügel, Innereien und Wild schließen sich die Desserts an. Ergänzend dazu gibt es Basisrezepte, wo man verschiedene Brühen, Saucen und Blätterteig findet.

Diese Kochbuch-Reihe hat den Anspruch, sogenannte "signature dishes" von Ausnahmeköchen vorzustellen. Solche Gerichte und ihre Rezepte brauchen Raum und das bekommen sie. Es stehen 6 Seiten dafür zur Verfügung. Zwei Seiten für das Foto und den Titel, Zwei Seiten für die Zutatenliste und den Rezepttext. Und die letzten beiden Seiten für ein Detailfoto und die Geschichte zum Gericht. Beim Nachkochen muss man sich vor Augen führen, dass es Rezepte sind, die mit drei Michelin-Sternen bewertet sind. Es handelt sich um eine sehr traditionelle und klassische Küche. Dabei wird großen Wert auf die Qualität der Produkte und auf das Handwerk gelegt. Mittlerweile ist es auch für Hobbyköche möglich, die Zutaten in der notwendigen Qualität zu besorgen. Die Herausforderung bleibt also die handwerkliche Fähigkeit. Die Beschreibung der Rezepte ist hilfreich, so manche Hürde zu nehmen. Gut gefällt mir, dass jede Komponente gebündelt mit Zutatenliste und Zubereitungsanleitung beschrieben wird. So kann man auch einmal nur einen Teil eines Gerichts kochen.

Was fehlt? Ein alphabetisches Rezeptregister. Ich bin ein großer Fan von zusammenfassenden Übersichten, weil ich oft in mehreren Kochbüchern nach einer bestimmten Zutat oder Idee suche.

Beim Nachkochen wollte ich ein Rezept ausprobieren, bei dem schon beim Lesen klar war, dass es um Geschmack und nur um Geschmack geht. Die Anrichteweise war traditionell und entsprach nicht der aktuellen Tellersprache. Genau deshalb wollte ich es machen. Die Zutaten waren, vom Fisch abgesehen, sehr einfach zu besorgen. Die Umsetzung war für mich nachvollziehbar und ist mir gut von der Hand gegangen. Geschmacklich war dieses Gericht ein sehr großer Genuss.


Gebratener Steinbutt mit Champagnersauce und Blumenkohlpüree

















Fazit:
"Die Kochlegende Marc Haeberlin" zeigt eindrucksvoll Gerichte eines Spitzenrestaurants, das sich seit vielen Jahrzehnten durch Qualität und Kochhandwerk auszeichnet. Hier kommt die klassische französische Küche zur Geltung, die durch Geschmack überzeugt. Manche Gerichte muten heute in der Optik antiquiert an, aber sie sind geschmacklich wegweisend und so interpretiert, dass auch der ambitionierte Laie etwas damit anfangen kann.


Mitgebracht habe ich noch ein paar Impressionen von der Kochbuch-Präsentation letzten Dezember in München. Zu meiner großen Freude war auch Eckart Witzigmann anwesend und die Herzlichkeit der beiden Köche zu sehen, war etwas ganz Besonderes.





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