Sonntag, 6. August 2017

Rezension: Hand in Hand - Spitzenköche und Flüchtlinge

Die Flüchtlingskrise hat im vergangenen Jahr sehr hohe Wellen geschlagen. Die katastrophalen Lebensumstände für viele Menschen in umkämpften, aber auch in armen Ländern hat sich nicht verbessert. Trotzdem scheint es mir, dass das Thema weniger Beachtung findet. Im Frühjahr 2016 beschlossen vier Studenten der Hotelfachschule Heidelberg einen eigenen Beitrag zu diesem Thema zu leisten. Mit dem Bewusstsein, dass Essen Heimat ist und Menschen verbinden kann, hatten sie die Idee zu einem Kochbuch und nannten es "Hand in Hand". Vier Euro von jedem verkauften Buch werden an Flüchtlingsorganisationen gespendet.


Schnell konnten sie über 50 Spitzenköche für dieses Projekt gewinnen. Die grundsätzliche Idee war es, dass die Profis ein Gericht aus den Fluchtregionen interpretieren oder ein eigenes Rezept mit den typischen Zutaten von dort entwickeln sollten. So ist eine große Sammlung von Rezepten entstanden, die den aktuellen Stil in der Spitzengastronomie repräsentiert. Zusätzlich steuern auch Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan, Nepal, Marokko und Gambia ein Rezept bei.

Nach diesen Ländern sind auch die Rezeptkapitel gegliedert. Wobei man sich nur bei den Rezepten der Flüchtlinge sicher sein kann, dass sie aus der jeweiligen Landesküche stammen. Bis auf wenige Ausnahmen könnte ich die Rezepte der Spitzenköche nicht eindeutig einer Region zuordnen. Zur Einstimmung in Kultur und Küche wird jedes Land in Wort und Bild vorgestellt. Daran schließen sich die Rezepte von je zwei Flüchtlingen und die der Spitzenköche an. Jeder Koch wird in einem kleinen Vorwort mit Portraitfoto vorgestellt und kann seine Gedanken zu diesem Buch anhand von drei Fragen äußern.

Den Rezepten wurde viel Raum gegeben. Viele von ihnen bekamen sogar eine Doppelseite für das Foto und eine für Zubereitungsanleitung und Zutatenliste. Die Rezepte der Flüchtlinge sind solide Hausmannskost, für die man die Zutaten einfach bekommt und die einfach nachzukochen sind. Die Rezepte der Profis sind Restaurantrezepte aus der Spitzengastronomie. Das merkt man bereits an der Personenzahl, für die das Rezept ausreichend ist. Dazu kommen sehr spezielle Zutaten, bis hin zu Produkten aus der Molekularküche. Da wird auch Koch-Knowhow vorausgesetzt, dass über das eines durchschnittlichen Hobbykochs hinaus geht. Für die alphabetische Suche stehen ein Rezeptregister und ein Personenregister am Ende des Buchs.

Für meine Rezension erschien es mir wichtig, ein Rezept eines Flüchtlings und eines von einem Spitzenkoch auszuprobieren. Ich kenne die arabische Küche sehr gut und wollte gerne etwas Neues ausprobieren. Meine Wahl fiel auf Domoda, einem Hühnergericht mit Erdnüssen, aus Gambia. In Westafrikanischen Ländern spielen die Erdnüsse eine wichtige Rolle. Im Rezept hat alles gepasst, es war gut beschrieben, einfach zu kochen und schmeckte ausgezeichnet.

Domoda - Link zum Rezept

Die Suche nach dem Profi-Rezept fiel mir schwerer. Es gibt sehr viele attraktive Gerichte in diesem Buch, auch mit spannenden Komponenten, die allerdings auch einen höheren Zeitaufwand erfordern. Genau das war mein Engpass und so entdeckte ich nach längerem Suchen eine Lammhaxe mit Hirse, Schafsmilchjoghurt, Karottenpüree und Roten Zwiebeln. Hier hat mir die Hirse besonders gut gefallen, die eine ideale glutenfreie Variante für Bulgur oder Couscous ist. Das Rezept stammt von Lars Fumic, Restaurant Nigrum in Baden-Baden. Ihn reizte die Herausforderung, aus günstigen Lebensmitteln ein Gourmet-Gericht zu zaubern. Das ist ihm auch gelungen und diese Idee hat mich angesprungen, da ich die Zutaten einfach besorgen konnte und keine speziellen Dinge brauchte, für die ich danach keine Verwendung habe.

Der Unterschied zum eher einfachen Rezept aus Gambia wurde schnell deutlich. Sehr gut gefallen hat mir, dass man kaum Abfälle hat und die Sauce aus den Gemüseresten und dem Bratensatz gekocht wird. Das Fleisch der Lammhaxe wurde sous-vide gegart und hatte eine tolle Farbe und Konsistenz. Nicht so glücklich war ich mit der Hirse. Sie war mir zu klebrig, das würde ich beim nächsten Mal anders machen. Dieses Gericht lässt sich nicht so leicht mal nebenbei kochen, darauf muss man sich schon konzentrieren und etwas Zeit mitbringen.

Lammhaxe mit Hirse, Schafsmilchjoghurt, Karottenpüree und Roten Zwiebeln - Link zum Rezept

Fazit:
"Hand in Hand - Spitzenköche und Flüchtling" ist ein sehr attraktiv gestaltetes Kochbuch und verfolgt einen guten Zweck. Es ist interessant, mit welchen Gedanken Profi-Köche sich dem Thema genähert haben und zu welchem Ergebnis sie gekommen sind. Die Hintergrundinformationen zu den Ländern und die Vorstellung der Flüchtlinge und ihrem Schicksal regt zum Nachdenken an. Für ambitionierte Hobbyköche sind gute Anregungen zu finden. Wer nach Rezepten aus der jeweils typischen Länderküche sucht, für den stehen jeweils nur zwei Rezepte pro Land zur Verfügung. Mir bietet das Buch noch eine weitere Inspiration. Wir reisen gerne durch Deutschland und gehen unterwegs gezielt essen. Ich habe einige interessante Köche entdeckt, die wir auf einer unserer nächsten Reisen einplanen werden. Natürlich sind auch "altbekannte" Gesichter, wie Frank Oehler und Alfons Schuhbeck vertreten, aber auch ganz viele neue Namen.

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