Liebe Leserin,
lieber Leser,
um diesen Beitrag nachempfinden zu können, müssten Sie sich zuerst ein bisschen vorbereiten. Heizen Sie bitte Ihren Backofen auf 60 Grad vor. Wenn er die optimale Temperatur hat, legen Sie eine Flasche Rotwein hinein und erwärmen diesen ebenfalls auf 60 Grad. Sobald der Wein die richtige Betriebstemperatur hat, suchen Sie bitte Ihren Fön. Dies ist leider notwendig, da wir hier noch schnatterkalten Winter haben.
Blasen Sie sich mit dem Fön heiße Luft ins Gesicht, entkorken Sie den ideal temperierten Wein und gießen Sie ihn in ein Saftglas. Jetzt sofort trinken! Und? Ja, genau :-)
Nun sind Sie startklar für Backsberg Pumphouse Shiraz....
Wir befinden uns in einem Gewerbegebiet in Arusha, Nord-Tanzania. Unser Auftrag: Weine für die kommende Safari-Saison aussuchen. Langsam kommen wir auf der staubigen Straße voran, den Schlaglöchern weichen wir großflächig aus. In den offenen Wellblechhütten wird an alten Autos geschraubt oder geschweisst oder gedengelt oder sonst irgendwie Metall bearbeitet. Doch, doch, hier ist ein Weinhändler! Nur noch drei Schlaglöcher umschiffen und wir sind da.
Arusha, senkrechte Mittagssonne, gefühlte 50 Grad - die Frisur sitzt NICHT! Wir betreten eine große Lagerhalle mit Blechdach und einer Innentemperatur von gefühlten 60 Grad. Ich bin in der perfekten Stimmung um Weine zu verkosten. Und es gibt hier Wein soweit das Auge reicht. An den Wänden hängen Poster mit der Weinauswahl verschiedener Winzer. Vor mir ist ein riesiges Gebirge aus Wein-Kartons und ich treffe spontan die Entscheidung nur wenige Weine zu probieren. Aber welche?
Ich dringe tiefer in die Halle ein und umrunde das Wein-Gebirge. Meine Begleiter beginnen den beiden Mitarbeitern zu erklären, mit welcher Mission wir kommen. Ich hätte jetzt wahnsinnig gerne eine eiskalte Cola, aber mir kam ja die Rolle der "Wein-Expertin" zu.
Durch die flirrende Hitze erkenne ich, dass da Weine aus aller Herren Länder liegen - leider unsortiert. Das macht die Sache einfacher. In Afrika braucht niemand Weine aus Frankreich, Italien, Spanien, sogar Kalifornien ist dabei. Ich begebe mich zur zweiten Umrundung, die Mitarbeiter schauen mir verständnislos nach, und ich versuche mir die Positionen der Südafrikaner zu merken.
Bei der Hitze arbeitet mein Hirn nicht richtig und mein Gaumen hat irgendwie eine Verweigerungshaltung eingenommen. Ich kann mir zwar die verfügbaren südafrikanischen Weine nicht merken, habe aber erkannt, dass es für eine Verkostung unter diesen Umständen zu viele sind. Was tun? Panisch fällt mein Blick auf ein Poster mit dem Wein-Sortiment von Nederburg. Diese Weine habe ich in Afrika schon öfters zu trinken bekommen und die haben mir noch nie geschmeckt. Super, da fallen schon mal jede Menge Weine raus.
Nächste Runde ums Wein-Gebirge, zur Beruhigung meiner Begleiter erwähne ich beiläufig, dass wir jetzt gleich mit Weißweinen starten. Ich entscheide mich für drei verschiedene Weißweine. Darunter ein Chenin Blanc von Backsberg. Meine Begleiter versuchen die Mitarbeiter zu bewegen die Flaschen für die Probe zu öffnen. Blankes Entsetzen, hier wird kein Wein geöffnet, hier wird nur Wein verkauft und fertig. Einer meiner Begleiter beginnt sich wild die Haare zu raufen und zu erklären dass er mit dem Ladenbesitzer die Probe vereinbart hat.
"No, Boss is not here!"
"Where is Boss?"
"Zanzibar"
"Call Boss, please!"
"I'm calling Boss in Zanzibar!"
Lange Rede kurzer Sinn, nach dem erfolgreichen Telefonat mit dem Besitzer, wurde die vereinbarte Weinprobe bestätigt. Wir schnauften mal durch, aber zu früh gefreut. Es begann die fröhliche Suche nach dem Korkenzieher. Da niemals Wein probiert wird, gibt es natürlich auch keinen Korkenzieher. Glücklicherweise hatte ich unser Not-Picknick-Set noch im Auto, ansonsten drohten die Herren bereits mit der Durchsuchung des Werkzeugkoffers.
Endlich war der erste Weißwein offen, ich fand ihn schrecklich. Kein Problem es gab schließlich noch zwei andere, dachte ich. Vor dem Öffnen des nächsten Weins musste zuerst wieder das Telefon-Ritual durchgeführt werden. Was sage ich? Vor jeder Flasche Wein musste das Telefon-Ritual durchgeführt werden.
Ich fasse zusammen: seit ungefähr 90 Minuten befand ich mich in einer kochend-heißen Lagerhalle voller Wein und habe seitdem 3 Gläser kochend-heißen Weißwein probiert. Als nächstes brauchten wir Rotwein. Ich hatte Angst vor dem Wein und meine Begleiter vor dem nächsten Telefonat....
Irgendwie gelang es uns die Mitarbeiter zu überzeugen, dass wir vom Chef die Genehmigung haben JEDEN Wein zu probieren. Jetzt lag es an mir. Diesen Chenin Blanc von Backsberg, den mochte ich, sehr gerne sogar. Die anderen haben mir nicht geschmeckt oder waren mir aufgrund schlechter Erfahrungen unsympathisch.
Ich setzte alles auf eine Karte und entschied mich dafür, nur die Rotweine von Backsberg zu verkosten. Das Rotwein-Sortiment war deutlich größer als die Weißwein-Auswahl und ich hatte schon einen leichten Anflug von Kopfschmerzen. Glücklicherweise gab es nur drei verschiedene Backsberg-Rotweine, einen Merlot, einen Syrah und der dritte fällt mir nicht mehr ein. Die Rotweine fand ich alle noch schrecklicher als die Weißen. Wir mussten aber unbedingt auch einen Rotwein für die Safari-Kunden aussuchen. Was tun? Erneut umrundeten wir die Karton-Berge, diskutierten mit den Mitarbeitern, diskutierten untereinander und ich wollte eigentlich endlich raus aus diesem Ofen.
Irgendwie schaffte ich es, mein Gehirn wieder einzuschalten und probierte die drei offenen Weine ein zweites Mal und siehe da. Geht doch! Zumindest der Merlot und der Syrah gingen. Ich habe wirklich aufgeatmet, dass wir jetzt einen Weißwein und zwei Rotweine hatten. Noch schnell die Bestellung fixieren, von jedem Wein noch eine volle Flasche einpacken und nichts wie raus und zurück zur Lodge.
Dort empfing uns unser Freund und war schon neugierig, auf die Erlebnisse des heutigen Tags. Wir verabredeten uns mit ihm auf der Terrasse zum abendlichen Wein trinken. Er sah den Syrah und meinte: "Sehr gute Wahl, das ist mein Lieblingswein!"
Die Weinrallye steht diesen Monat unter dem Motto: "Syrah - ein gobal Player" mit der wunderbaren Susa von 180 Grad als Gastgeberin. Ich habe mit ihr vereinbart, dass ich diese Geschichte im Keller schreibe, wo sich die Weinwelt zum Lachen trifft. Und ich habe mich streng daran gehalten.
Lieber Leser, liebe Leserin, bitte weiterhin die Luft anhalten und schnell in den Keller laufen.
Freitag, 29. März 2013
12 Kommentare:
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1. Ich freue mich darüber.
2. Ich versuche ihn in den nächsten Tagen zu beantworten.
3. Dein Kommentar und Dein Kontakt wird gespeichert. Das ist ein Standard von Blogger, dem Tool, das ich nutze, um diesen Blog zu schreiben.
4. Ich mache sonst nichts. Die Kommentare stehen einfach so unter dem Blog-Beitrag.
5. Wenn Du das nicht willst, nimm' einfach die Finger von der Tastatur.
6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.
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schmunzel ... wunderbar! Prost!
AntwortenLöschenFrohe Ostern aus Zürich,
Andy
Freut mich, daß Du Dich amüsiert hast :-)
LöschenFrohe Ostern wünsche ich Dir auch.
heiße sonne und heißer wind, da bin ich ganz bei dir. allerdings gelüstet es mir da sicher nach einem gut gekühlten weißem, aber trotzdem....frohe ostern und wohl bekomm`s :)
AntwortenLöschenDafür ist so eine Weinprobe unvergessen :-)
LöschenFrohe Ostern wünsche ich Dir.
Schöne Geschichte! Erwähnte ich eigentlich bereits, dass Geschichten für mich ebenso wichtig sind wie leckeres Brot und guter Wein? ;)))
AntwortenLöschenJa Barbara, das weiß ich schon. Deshalb sind Deine Geschichten immer besonders schön :-)
LöschenIch kann's mir lebhaft vorstellen :-) Was hast du in Tanzania gemacht?
AntwortenLöschenIch war auf einer tollen Reise :-)
Löschenmeine Güte, was für eine Geschichte!!
AntwortenLöschendie Vorbereitung drauf hab ich ausgelassen ;-)
lg
so, so - hoffentlich konntest Du Dich dann gut hineinfühlen :-)
LöschenIch muss hier auch noch mal Danke sagen für die köstliche Geschichte. Und ich bewundere Deinen Heldenmut.
AntwortenLöschenGerne, da war ich wirklich tapfer :-)
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