Mittwoch, 19. November 2014

Rezension:
Fleisch von Lucki Maurer

Eine sehr gut informierte Quelle hat mir einmal erzählt, dass Lucki Maurer im Kreis seiner Koch-Kollegen davon geschwärmt hat, sich ein Wagyu-Rind zu kaufen. Das hat die Anderen amüsiert, aber Lucki hat seinen Plan in die Tat umgesetzt, sich Rudi gekauft und ihn groß gezogen. Heute umfasst seine Herde über 40 Wagyu-Rinder, Rudi hat längst den Weg auf den Teller gefunden und über Lucki lacht niemand.

Lucki Maurer ist geboren und aufgewachsen im tiefsten Niederbayern, wo früher der Eiserne Vorhang verlief. Heute hat das nichts mehr vom "Ende der Welt", heute sind das unendliche Weiten in einer wunderschönen Landschaft, die ideale Umgebung für vorbildliche Tierhaltung. Seine Eltern Marianne und Ludwig Maurer betreiben dort das Hotel Waldschlößl, dessen Geschichte auf das Jahr 1862 zurück geht. Der nahe gelegene Hof Schergengrub gehört ebenfalls zum Familienbetrieb.

Seine Ausbildung zum Koch machte er bereits mit 15 Jahren und ergänzte diese mit einer Ausbildung zum Hotelfachmann auf der Hotelfachschule und dem staatlich geprüften Küchenmeister. Vor über 10 Jahren lernt er Stefan Marquard kennen und realisiert für ihn europaweit viele Veranstaltungen als Küchenchef. Trotzdem bleibt er seiner niederbayerischen Heimat sehr verbunden und übernimmt 2006 Schergengrub von seinen Eltern. Er baut den Hof um, modernisiert ihn und startet mit einer Schafzucht für die Spitzengastronomie. Sein erster Kunde ist Otto Koch und bereits 5 Jahre später ist das Schergengruber Lamm in der europäischen Sternegastronomie ein Begriff.

Lucki sieht sich nicht nur als Koch, er versteht sich auch als Bauer mit Verantwortung. In diesem Sinne wachsen seine Tier artgerecht auf und er war der erste in Europa, der Wagyu-Rinder nach ökologischen Standards züchtete.

Seine umfassende Kompetenz zur Tierhaltung und Verarbeitung des geschlachteten Tiers haben ihn zum neuen "Fleischpapst" in Deutschland werden lassen. Sein Know-How gibt er in Workshops bei Otto Gourmet und Kochkursen bei Cool Giants weiter. Ab und an sind er und seine Tiere auch im Fernsehen zu bewundern und auch die Zeitschrift "BEEF" hat ihm schon eine Titelstory gewidmet. Lucki ist wirklich ein Tausendsassa und alles was er macht, macht er mit ansteckender Begeisterung und viel Engagement. Seiner Bodenständigkeit und seiner Frau Stephanie verdankt er es, dass das was er anfasst auch gelingt.

Die Veröffentlichung seines ersten Buchs war nur eine Frage der Zeit. "Fleisch: Rezepte und Praxiswissen zu besonderen Fleischstücken" von Ludwig "Lucki" Maurer ist nun im Matthaes Verlag erschienen.



Bereits das Cover des großformatigen Buchs besticht mit dem Foto einer wunderbaren Beinscheibe. Diesem Stil, nur das Wesentliche gestochen scharf zu zeigen, bleibt der Fotograf Florian Bolk treu. Die abgebildeten Fleischteile sind sehr plastisch und man erkennt jedes Detail. Auch bei den Rezeptfotos gibt es keine Teller. Die Gerichte liegen auf dunklen oder hellen Platten. Nichts lenkt ab, der Blick bleibt fokussiert auf das ausdrucksstarke Foto. So langsam siegt die Neugierde, mehr über das Rezept zu erfahren. Der Text steht gleich gegenüber und ist in das Foto integriert.

Über 70 kreative und innovative Rezepte finden sich im Buch. Lucki greift nicht nur selten verwendete Fleischstücke wie z. B. Kuheuter oder Schlund auf, er gestaltet auch Klassiker neu. So lassen wir uns überraschen von Gerichten wie "Ossobuco ohne Schnickschnack", "Gesottenem Kuheuter | Buttermilch | Malzbier | Chicorée", "Red-Bull-Hoden | Meerrettich | Kaviar | Brot-Koralle" oder "Gelbwurst vom Flusskrebs im Rinderschlund | Fenchel-Orangen-Salat". Der umfangreiche Rezeptteil startet bei den Tieren Rind, Schwein und Wild mit dem Zerlegungsplan und Fotos der Zerlegung des jeweiligen Tiers. Folgende Tiere werden in dem Buch behandelt: Rind, Schwein, Wild, Lamm, Ziege und Kaninchen. Ergänzt wird der Rezeptteil mit Grundrezepten zu Saucen und Fonds und dem Kapitel Kochtechnik.

Vor dem Kochen mit Fleischstücken kommt das Tier, und ich möchte zurück gehen auf den Anfang des Buchs. Eindrücklich beschreibt Lucki wie sich seine Einstellung zum Fleisch gewandelt hat und welch einschneidendes Erlebnis die Schlachtung von Rudi war. Es wird transparent, weshalb es ihm wichtig ist ein Tier im Ganzen zu verwenden. Es ist nicht vertretbar nur die edlen Teile zu essen und den Rest zu entsorgen. Das war der Auslöser zu diesem Buch, mit dem er uns zeigt, dass aus jedem Stück des Tiers ein excellentes Gericht gekocht werden kann.

Die unterschiedlichen Tiere lernen wir im Kapitel "Nutztierrassen und Aufzucht" kennen. Zu den Tieren Rind, Schwein, Schaf und Kaninchen gibt es Fotos und kurze Rasseportraits. Haltung und Fütterung werden ebenfalls erklärt und der Unterschied zwischen Zucht- und Wildtieren.

Fleisch wächst nicht in Styropor-Schalen im Supermarkt. Vor jedem Fleischgenuss steht die Tötung eines Lebewesens. Diesem Thema ist das letzte Kapitel "Vom Tier zum Fleisch" gewidmet. Dort werden die unterschiedlichen Methoden der Tötung, die Fleischklassifizierung, die Fleischetikettierung, die Fleischreifung und die Verwendung von Horn und Knochen beschrieben.

Bei der Rezeptauswahl für die Gerichte, die ich nachkochen wollte, habe ich mich davon leiten lassen, welches Fleisch ich überhaupt ohne größere Umstände bekommen kann. Im Kühlschrank lag noch ein Stück Lardo, eine Beinscheibe in Bio-Qualität konnte ich bei meinem bevorzugten Markt kaufen und das Flank habe ich mir bei Otto Gourmet bestellt. So hatte ich eine gute Mischung aus Vorrat, normalem Einkauf und Internet-Bestellung. Bei Kuheuter hatte ich einfach Zweifel, ob es mir gelingen wird eins zu bekommen. Außerdem habe ich noch nie eins verarbeitet oder einmal gesehen, wie das gemacht wird. Da war mir vor einem ersten Versuch etwas unwohl.

So kam es also zur Auswahl dieser drei Gerichte. Im Nachhinein war ich damit sehr zufrieden. Es war alles dabei wie lange und kurze Zubereitungszeit oder mit einfachem Equipment und Profi-Geräten realisierbar. Die Rezepte haben kleine Veränderungen zugelassen, die für mich besser umsetzbar waren. Die Beschreibung war gut verständlich und hat auch so funktioniert. Der Kochstil von Lucki kommt meiner Art zu Kochen sehr entgegen und ich habe mich immer gut angeleitet gefühlt. Beim Ergebnis sprechen die Bilder sicher eine eigene Sprache. Wir haben dreimal hervorragend gegessen und ich hatte auch keinen übertriebenen Aufwand.


Flanke rückwärts, Tomate, Mango, Langer Pfeffer












Tatar vom Lardo, Kaviar, Gurke, Kartoffel













Ossobuco "Inside Out", Gefrostetes Mark, Schmorgemüse



Fazit:

Da darf ich als erstes Andi Schweiger zitieren (er hat es mir erlaubt :-) ):
"Das ist ein HAMMER-Buch!"

 "Fleisch: Rezepte und Praxiswissen zu besonderen Fleischstücken" von Lucki Maurer ist ein sehr verantwortungsbewusstes Buch. Es hat eine wichtige Botschaft und kommt ohne erhobenen Zeigefinger aus, sondern begeistert mit großer Kompetenz und opulenter Optik. Als Zielgruppe sehe ich in erster Linie Profi-Köche und ambitionierte Hobbyköche. Hobbyköche, die nicht den Anspruch haben jedes Rezept ein zu eins umsetzen zu müssen, aber gute Informationen und Inspiration zu ungewöhnlichen Fleischstücken suchen, sind mit diesem Buch ebenfalls gut bedient. Auf jeden Fall ist es ein Schmuckstück in jeder Kochbuch-Sammlung.

10 Kommentare:

  1. Sehr schöne Rezension und Deine Teller sehen hammermässig aus!
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  2. Also ich finde ja auch, dass das ein HAMMER-Buch ist und deswegen steht es auch in meinem Kochbuch-Regal. Dank deinem Hinweis sogar mit Widmung ;)

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    1. Gerne, lieber Jens.
      Dann hast Du ja alles richtig gemacht :-)

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  3. .... ich hab doch schon ein Kochbuch. Und ich esse nicht viel Fleisch. Grade deswegen muss ich dieses Buch wohl anschaffen - Du warst überzeugend :-) Was mir immer wichtig ist, ist, dass einfach alles verwertet wird. Das hat ein Tier, das für uns sein Leben läßt einfach verdient. Und dann kommt der Mann auch noch aus derselben Ecke wie ich ....

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    1. Alleine schon aus heimatlich-solidarischen Gründen kannst Du da gar nicht wegschauen :-)

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  4. Wir hatten ja das große Glück, bei der Buchpräsentation und dem 15-Gang-Menü im Waldschlössl dabei zu sein und durften dort schon einige Gerichte daraus essen. Sehr spannend! Helmut als Suppenliebhaber hat gleich die Consommé vom Schweineschwanz nachgekocht :-)

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    1. Liebe Petra,
      ich hatte gehofft, dass Ihr dabei seid. Bei mir ging es leider wegen einem anderen Termin nicht. Ich beneide Euch um das Erlebnis, das war sicher toll.

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  5. Hammer Rezension zur einem Hammer Buch, das ein Hammer Kerl geschrieben hat.

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5. Wenn Du das nicht willst, nimm' einfach die Finger von der Tastatur.
6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.