Im Rahmen meiner Blog-Events veröffentliche ich besonders gerne auch Gastbeiträge von Lesern. Dies finde ich eine schöne Möglichkeit, Geschichten und Rezepte zu präsentieren, die sonst nicht veröffentlicht werden.
Die heutige Gastautorin ist Christina, die im Rahmen von "Souvenirs aus der Küche" ihre Erinnerungen an Kuba mit uns teilt und ein besonders edles Rezept für Langustenschwanz mitgebracht hat.
Vor vielen Jahren auf Kuba lernten wir am Strand von Varadero Juan kennen. Er war plötzlich da, saß neben uns im Sand und war einer der wenigen Einheimischen, der nicht vom Beach Guard vom Strand gejagt wurde. Er erzählte von seinem Leben als Fischer auf Kuba, rauchte unsere Zigaretten und bewachte unsere Wertsachen, wenn wir ins Wasser gingen.
Am fünften oder sechsten Tag unseres Urlaubs saß er irgendwann am Nachmittag wieder neben uns und tat sehr geheimnisvoll. Immer ängstlich um sich schauend, dass auch ja niemand zuhört, bot er uns für 20 US-Dollar in einem Paladar (Privatrestaurant) abseits unseres Hotels ein Langusten-Dinner an. Wir dürften aber mit niemandem darüber sprechen, weil es sich um ein inoffizielles Restaurant ohne Lizenz handelt und er und die Wirtsleute mächtig Ärger bekämen, wenn die Obrigkeit davon erführe. Nach kurzer Überlegung sagten wir zu.
Zwei Tage später führte uns Juan, fröhlich pfeifend auf seinem klapprigen Fahrrad neben uns herradelnd, zu besagtem Restaurant: einer Baracke auf einem Gartengrundstück, das größtenteils betoniert war. Dort stand ein einzelner Tisch, gedeckt mit einem von der Meerluft klebrigen Wachstuch, eine Kerze flackerte im Eierbecher. Das Besteck war zusammengewürfelt. Die Gläser hatten ihre beste Zeit schon lange hinter sich.
Hinter einem Vorhang - dem Eingang zur Baracke, brannte eine gleißend helle Neonleuchte. Kurz nach unserer Ankunft kamen die Wirtsleute hinter dem Vorhang hervor (es war der Teil, der sich Küche nannte und hatte nichts mit dem zu tun, was sich Westeuropäer unter einer Küche vorstellen).
Ein freundliches Ehepaar mittleren Alters, die Haut schwarz wie die Nacht, strahlte uns mit schneeweißen Zähnen und funkelnden Augen an. Sie begrüßten uns sehr herzlich, gerade so, als wären wir schon seit Jahrzehnten Freunde. Wir gingen selbstverständlich davon aus, dass Juan bei uns bleiben würde, doch er zog sich ziemlich schnell diskret mit den Worten zurück, dass man sich am nächsten Tag am Strand wiedersieht.
Auf den einzigen beiden wackeligen Kunststoffstühlen, die irgendwann mal weiß gewesen sein mussten, nahmen wir Platz und schauten uns um. Ein uralter mintfarbener Buick mit platten Reifen und rostigen Felgen war unter einem provisorischen Wellblech-Unterstand geparkt. Überall liefen Hühner herum - auch zwischen unseren Beinen. Ein paar vertrocknete Sträucher rundeten das Gesamtbild ab. Für deutsche Maßstäbe war alles sehr bescheiden - man könnte fast sagen, verwahrlost. So - das war also das Restaurant…
Wir zweifelten, ob das eine gute Entscheidung war…
In der Küche ging es mittlerweile hoch her. Man hörte eifriges Töpfeklappern, zischendes Fett, vernahm spanische Wortfetzen und köstlich riechende Rauchschwaden bahnten sich ihren Weg durch den Vorhang, die sich auch in der Luft ausbreiteten. Nach, wie uns schien, ewigen Zeiten kamen endlich die Wirtsleute mit zwei dampfenden Tellern aus der Küche, die sie mit erwartungsvollen Gesichtern vor uns auf dem Wachstuch platzierten:
Gegrillte Langustenschwänze, Orangen-Aioli, scharfer Mango-Avocado-Salat und Arroz Congri (Moros y Cristianos) mit Sofrito. Ein Gedicht!
Die Nacht war sternenklar, 2-3 Hühner flitzten noch immer auf der Jagd nach Kakerlaken oder anderem Getier über den Betonboden, die Kerze im Eierbecher war fast erloschen.
Wir schwelgten im Genuss.
Eine bessere Languste habe ich nie wieder in meinem Leben gegessen. Es war sicher die ungewöhnliche Atmosphäre, die ihren Teil zu diesem Erlebnis beitrug. Aber diese schönen, bizarren Momente in einem kubanischen, betonierten Garten bei sternenklarer Nacht, mit abgerocktem Buick neben dem Esstisch, Hühnern, Kerze im Eierbecher und klebrigem Wachstuch werde ich nie vergessen.
Seither ist die Languste, deren Verzehr ich bis zu diesem Zeitpunkt immer abgelehnt hatte, zu einem festen Bestandteil in meiner Küche geworden, die ich zu besonderen Anlässen gerne auftische.
Langustenschwanz: gegrillt.
Orangen-Aioli: Aioli, Orangenzesten, Saft einer Orange.
Mango-Avocado-Salat: Passionsfrucht-Vinaigrette, Chili-Schärfe.
Arroz Congri (Moros y Cristianos): schwarze Bohnen, Lorbeerblatt; Langkornreis, Kokosmilch; grüne Paprika, Zwiebeln, Knoblauch, Olivenöl.
Sofrito: Tomate, rote Paprika, Zwiebel, Knoblauch, Oregano, Olivenöl.
Vielen Dank an Christina für diesen schönen und interessanten Beitrag. Besonders gut gefällt mir das Rezept in seiner Konzentration auf frische Zutaten. Ich glaube, das muss ich unbedingt einmal ausprobieren.
Freitag, 27. Februar 2015
2 Kommentare:
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1. Ich freue mich darüber.
2. Ich versuche ihn in den nächsten Tagen zu beantworten.
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4. Ich mache sonst nichts. Die Kommentare stehen einfach so unter dem Blog-Beitrag.
5. Wenn Du das nicht willst, nimm' einfach die Finger von der Tastatur.
6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.
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deine Interpretation dieses Gerichts interessiert mich bereits jetzt sehr...
AntwortenLöschenIch bin wirklich neugierig und hoffe, dass ich es bald zeitlich schaffe :-)
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