Sonntag, 25. September 2016

Kulinarische Höhepunkte im Geniesserland Tegernsee

Der Tegernsee liegt vor den Toren Münchens und ist trotzdem eine völlig andere Welt. Die Schönheit des Gebirgssees, inmitten der attraktiven Bergkulisse hat schon immer die Münchner an den See gezogen. Trotzdem ist dort "die Welt noch in Ordnung". Während in München schon lange der Mickey-Mouse-Trachten-Wahnsinn tobt, tragen die Tegernseer mit so viel Haltung und Natürlichkeit ihre Trachten, dass es eine Wohltat ist. Auch wegen dieser Menschen komme ich sehr gerne an den Tegernsee. Sie wissen um die Besonderheit ihrer Heimat und bewahren diese.

Im letzten Jahr haben sich 14 Gastgeber und Produzenten zum Geniesserland Tegernsee zusammengeschlossen. Die Qualität der Gasthöfe und Restaurants war schon immer sehr gut und gibt auch einige kleine Produzenten und Manufakturen, die gemeinsam den genussaffinen Gast ansprechen wollen.

Anfang September durfte ich, auf Einladung von Tegernsee-Tourismus, einige der Geniesserland-Betriebe kennenlernen. Gleich zum Auftakt ging es zum Abendessen und gemeinsamen Kennenlernen zum Gut Kaltenbrunn.


Die Anlage kenne ich schon seit vielen Jahren und fand es immer schade, dass sie nicht genutzt wurde. Viele sind der Meinung, dass das Gut die schönste Lage am See hat. Wie so oft führten Meinungsverschiedenheiten zum Stillstand eines Projekts und zum beginnenden Verfall der Gebäude. Bis Michael Käfer von Feinkost Käfer die Anlage übernommen und zu einem Schmuckstück entwickelt hat. Die Lage und die Aussicht sind traumhaft. Die Gebäude werden saniert und auch die Inneneinrichtung ist sehr gelungen. Bayrisch, ohne zu rustikal oder aufgesetzt zu sein, einfach geschmackvoll und gemütlich. Bereits beim Betreten wird man von feinem Kuchenduft empfangen, da dort die Backstube ist, wo den ganzen Tag frisch gebacken wird. Gebacken, nicht aufgebacken! Sogar beim Teigkneten kann man den Bäckern zusehen.


Auf den Tisch kommen bayerische Gerichte mit Produkten der lokalen Produzenten, wie die lauwarm geräucherte Louisenthaler Forelle mit Blüten- und Vogerlsalat. Die Fischzucht ist nur wenige Kilometer entfernt. Das Spanferkel mit Bayerisch Kraut, zweierlei Knödeln und Dunkelbiersauce ist ein Gedicht und der Kaiserschmarrn mit Zwetschgenkompott, Apfelmus und Vanillesauce ist einer der besten, die ich je gegessen habe. Der Ausblick in der Abenddämmerung braucht keine Worte.

Perfektes Wetter erwartete uns am nächsten Morgen zur Kräuterwanderung mit der Kräuterpädagogin Claudia Bernhardt. Beim Spaziergang entlang der Weissach zeigte sie uns essbare Wildkräuter und wie man sie in der Küche verwenden kann. Einige Überraschungen hatte sie im Gepäck dabei und so gab es ein selbstgebackenes Brot mit Kräutermischung und Tomate. Dazu hatte sie Kräutersalz, Blütenbutter und Kräuterlimonade mitgebracht. So konnten wir die Natur gleich schmecken.


Endpunkt der Kräuterwanderung war die Naturkäserei Tegernseer Land. Dort wird eindrucksvoll bewiesen, was möglich ist, wenn sich die Landwirte zusammen tun und sich gegen das Milchpreis-Diktat der großen Konzerne wehren. Sie gründeten eine Genossenschaft und bewiesen langen Atem. Mittlerweile arbeitet der Betrieb mit Gewinn. Für die Kunden ist er schon lange ein Gewinn. Alle Milchprodukte werden ausschließlich aus Heumilch hergestellt. Dies bedeutet, dass die Kühe entweder auf der Weide stehen, oder im Winter mit Heu, und nicht mit Silage, gefüttert werden. Es ist auch nicht immer alles verfügbar. Wenn ein gereifter Käse aus ist, muss eben gewartet werden, bis der nächste Käse fertig ist. Neben Käse kaufe ich dort am liebsten Topfen und Butter. Käse und Joghurt sind in München in ein paar Läden und auf Märkten erhältlich. Der Topfen leider nicht. Ich habe aber in Erfahrung gebracht, dass er auf dem Wochenmarkt in Grünwald zu bekommen ist. Das probiere ich an einem der nächsten Samstage aus.


Bereits am ersten Abend auf Gut Kaltenbrunn lernten wir das Ehepaar Huber von der Brennerei Fischerweber kennen. Die mitgebrachten Schnäpse machten Lust auf mehr und so durften wir zur spontanen Besichtigung und Verkostung vorbei kommen. Die Lage alleine, direkt im Maler Winkel, ist schon einen Besuch wert. Das alte Bauernhaus wurde ab- und im Bauernhofmuseum wieder aufgebaut, aber die Tradition leben der Edelbrandsommelier Anton Huber und seine Frau weiterhin. Für ihre Schnäpse und Liköre verwenden sie nur frisch geerntetes, genussreifes Obst und das kann man schmecken. Meine besonderen Entdeckungen waren ein Apfel-Wacholder-Brand, der es mit dem besten Gin aufnehmen kann und ein Schokoladenbrand, der wie ein feines Schokoladentäfelchen schmeckt.


So langsam wurde es Zeit, dass wir uns um unser Abendessen kümmern sollten. Im Almgasthaus Aibl erwartete uns schon der Jäger Michael Herrmann. Er ist für uns früh aufgestanden und konnte eine junge Gams schießen. Mit geübten Griffen zeigte er uns, wie er das Wild aus der Decke schlägt (enthäuten) und anschließend in die einzelnen Fleischteile zerlegt.


Gleich im Anschluss schlug die Stunde von Schorsch Ertl, dem Chef vom Almgasthaus Aibl. Da steht er mit dem Bleistift hinter dem Ohr am glühend heißen Gasherd und jongliert mit Töpfen und Pfannen. Wenn das Telefon klingelt nimmt er ganz locker auch noch eine Tischreservierung an. Schließlich reicht ja eine Hand, um die Pfanne zu schwenken. Ganz locker zeigt er uns die Zubereitung von einer Wild-Bolognese und einem Hirschragout. Und weil die Gams noch drei Tage abhängen sollte, aber wir ihn mit hungrigen Augen ansehen, brät er eben schnell den Gamsrücken und das Filet. Dazu hat er schon eine Focaccia vorbereitet. Mein absolutes Highlight waren Gamsleber und -herz kurzgebraten mit geschmolzenen Zwiebeln. Die hat der Schorschi auch so ganz locker nebenbei gemacht.


Schweren Herzens habe ich mich aus der Küche verabschiedet und wurde mit einem traumhaften Ausblick von der Terrasse belohnt. Wir genossen die Zeit in der Abendsonne mit Stubenmusi und einem Glas Champagner. Genuss ist nicht nur Essen und Trinken, dann wäre er seelenlos. Zu Genuss gehören auch besondere Menschen und die schöne Natur. Ich bin sehr dankbar, dass ich das wieder einmal in Perfektion erleben durfte.


Während wir in der Sonne entspannt haben, hat die Küche mit flinken Händen unser Menü fertig gestellt. Und so durften wir in der kleinen Hütte am Ende der Terrasse Platz nehmen. Zum Auftakt gab es einen Kaspressknödel auf Krautsalat. Danach kamen die breiten Nudeln mit der Wild-Bolognese. Im Hauptgang freuten wir uns über das Hirschragout mit Semmelknödel und Preiselbeeren. Mit dem Erdbeer- und dem Kaiserschmarrn zum Dessert blieb der Küchenchef seiner Küchenlinie treu. Er serviert eine bodenständige bayerisch-tirolerische Küche mit viel Liebe zum Kochhandwerk. Dazu hat er ausgesuchte Weine auf der Karte, wie vom fränkischen Weingut Schmitt's Kinder.


Zwei wundervolle Tage haben wir schon am Tegernsee verbracht und so langsam nahte der Abschied. Es gab keinen Grund für Traurigkeit, da ein Besuch der Herzoglichen Fischzucht Wildbad Kreuth auf dem Plan stand. Dort war es noch sehr ruhig und alle Tische leer. Trotzdem herrschte in der Küche schon Hochbetrieb und viele Teller mit geräuchertem Saibling und Forelle standen für die Gäste bereit. Ich mag diesen Ort sehr und sitze gerne an einem Tisch zwischen den Zuchtbecken. Die Fische lassen sich gut beobachten und die Stille ist sehr angenehm.


Wir sind mit einem Auftrag geschickt worden und sollten Saibling für den anschließenden Sushi-Kurs mitbringen. Beherzt holte Martina Brunner die Fische aus dem Becken und betäubte sie mit einem schnellen Schlag. Sie erzählte uns, dass immer mehr Gäste zum Fischessen kommen und diese Aktion mit Protest kommentieren. Das ist für mich unverständlich, wer Fisch essen will, muss in Kauf nehmen, dass diese Fische vorher getötet werden. Die Aufzucht in Kreuth erfolgt mit so viel Engagement und Sachverstand. Auch beim Fangen, Töten und Zerlegen gehen die Mitarbeiter mit großer Professionalität vor. Ich freue mich immer, wenn ich solche Produzenten besuchen kann und ihre Produkte in der lokalen Gastronomie wieder finde. Und jetzt verrate ich noch einen Geheimtipp: im November kann auch der frische Kaviar vom Saibling gekauft werden.


Nun ging es zurück ins Hotel Bachmair Weissach, wo wir sehr angenehm untergebracht waren. In der hoteleigenen Sushi-Bar Mizu wartete der Küchenchef, Chiori Kudo, schon auf uns und hatte alles für den Sushi-Kurs vorbereitet. Wir lernten zweierlei Rollen und die klassischen Ngiri, alles zubereitet mit dem fangfrischen Saibling. An den Handbewegungen des Profis sah man schon, dass da viele Jahre Übung notwendig sind. Trotzdem konnten wir mit unseren ersten Versuchen zufrieden sein und Spaß gemacht hat es auch.


Bevor es zum gemeinsamen Lunch mit unseren selbstgemachten Sushi ging, probierten wir noch verschiedene Sake. In der Zwischenzeit hat unser Lehrmeister noch ein paar Sushi dazu gezaubert und so hatten wir eine schöne Auswahl an erstklassigen Sushi. Ich habe immer noch den Eindruck, wenn man im Mizu Sushi gegessen hat, dann ist man verdorben und kann die lieblos produzierten Sushi, von denen es leider immer mehr gibt, nicht mehr essen.


Zum Abschluss der herrlichen Tage am Tegernsee fuhren wir nach Gmund zu Anna-Maria und Andreas Liedschreiber. Sie leben etwas oberhalb auf einem besonders schönen, alten Bauernhof. Auch der Ausblick dort ist etwas besonderes. Beide haben die Ausbildung zum Edelbrandsommelier gemacht und teilen sich die Arbeit in der Brennerei. Während Andreas sich um die Schnäpse kümmert, setzt Anna-Maria Liköre an. Ihre Spezialität ist der Heumilch-Likör, von dem ich natürlich wieder einmal eine Flasche kaufen musste.


Vielen Dank an Tegernsee Tourismus und storykitchen für die schöne Einladung. Und herzlichen Dank an alle Protagonisten für die schönen Stunden.

Weitere Informationen über tolle Produzenten und Gastronomiebetriebe habe ich bereits in anderen Berichten veröffentlicht:

Weihnachtsreise an den Tegernsee

Japanische Küche am Tegernsee

Ein verlängertes Wochenende am Tegernsee

Ein Besuch bei Christian Jürgens in der Überfahrt

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